Er ist promovierter Germanist, Romanautor, Songtexter, Liedermacher und einiges mehr. Sein erstes Album veröffentlichte Manfred Maurenbrecher 1979 mit der Musikgruppe „Trotz & Träume“. Danach machte er sein Hobby zum Beruf, schrieb neben eigenen Texte für Spliff, Herman van Veen oder Ulla Meinecke, die ihre aktuelle Zwei-Jahres-Tournee im Husumer Kulturkeller begann und zu deren Band auch Saxophonist Richard Wester gehörte. Mit ihm und dem Randy-Newman-Project kommt Maurenbrecher am Sonnabend, 14. Juni, 20 Uhr, in den Schlossgang 7. Dritter im Bunde: Sänger und Pianist/Keyboarder George Nussbauer.
Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag. Ist zwar schon einen Monat her, aber in unserem Alter ist ja jeder gute Wunsch doppelt wertvoll, oder?
Maurenbrecher: In unserem Alter (sind wir etwa gleich alt?) sollte man sich eine Kraft reservieren dafür, jeden Tag zu genießen, den man wach und gesund durchlaufen kann.
Na ja, ein paar Jährchen trennen uns schon noch, aber offiziell wären wir beide schon in Rente. Apropos Zeit. Wissen Sie noch wann und mit wem Sie zum wahrscheinlich ersten Mal in Husum aufgetreten sind?
Maurenbrecher: Ich vermute, als ,Drei Männer im Schnee’ in der Kombination mit Richard Wester und Thommie Bayer. Später habe ich nah bei Husum, in Detlef Petersens Studio, eine ganze CD aufgenommen, ‘Kakerlaken’.
Das war ein feines Projekt mit hervorragender Musik und exzellenten Texten. Warum ging es nicht weiter?
Maurenbrecher: ,Alles hat hat seine Zeit' und ,Alles geht zur Neige“ - zwei Songtitel von mir. Die Zusammenarbeit mit Richard Wester ist immerhin damals entstanden und ging über Jahrzehnte weiter. Wir haben sogar mal den Deutschen Kleinkunstpreis dafür gekriegt.
Was viele nicht wissen: Sie haben neben eigenen auch Texte zum Beispiel für Ulla Meinecke geschrieben (Hafencafe) aber auch Romane veröffentlicht. Gibt es da eine Priorität?
Maurenbrecher: Für andere texten tu' ich eigentlich nur noch auf Anfrage. Zwischen dem Musizieren und dem eigenen Schreiben, das sind wechselnde Phasen. 2026 möchte ich wenig auftreten und dafür ein Buch schreiben. Vielleicht wird es sogar fertig. Ich empfinde es als Luxus, da wählen zu können.
2006 haben Sie dann mit George Nussbaumer und einmal mehr mit Richard Wester das Randy-Newman-Project gestartet. Wie kam es dazu?
Maurenbrecher: Richard und George hatten sich vorher schon kennengelernt, und für irgendeinen event 2005 haben wir drei ,Neumanns' Lied Sail away, das ich gerade übersetzt hatte, arrangiert. Daraus entstand der Plan, einen ganzen Abend mit Newman auf deutsch und englisch und Moderationen von uns allen Dreien zu entwickeln.
Kritiker loben Ihre deutschen Fassungen der Songs von Randy Newman, weil es keine bloßen Übersetzungen, sondern Übertragungen sind. Kann man einen wie Newman mit seinen vielen versteckten Anspielungen überhaupt eins zu eins übersetzen?
Maurenbrecher: Manches gelingt wunderbar eins zu eins, für manches muss man die Perspektive verändern. Dann wird zum Beispiel aus South Carolina die Uckermark. Aber die Frage, ob „man“ sowas kann, hat einen, entschuldigung, falschen Beigeschmack, finde ich. Es ist immer das selbst geschaffene Ergebnis, das zählt. Überzeugt es, ist alles gut. Ich kenne einen ‘literarisch orientierten’ Singer-Songwriter-Kollegen aus unserem Land, der gern verkündet, Bob Dylans Lieder könne „man“ nicht übersetzen. Da sollte er mal lieber „ich“ sagen.
Was fasziniert Sie so an Randy Newman, wo Sie sich zu Beginn Ihrer Karriere doch eher zu Bob Dylan und Leonard Cohen hingezogen fühlten?
Maurenbrecher: Zu denen zieht es mich nach wie vor hin, und für meine Dylan-Übersetzungen habe ich mir letztes Jahr ein eigenes Abendprogramm zusammengestellt, es heißt ‘Eine Anstiftung zum Leben’. - Randy Newman aber beherrscht eine Kunst, die uns heutzutage zeitgeistig ausgetrieben werden soll: das Rollenspiel im Lied. Brecht war ein früher Meister darin, Newman übertrifft ihn noch. Er spricht zum Beispiel mit der Maske eines weißen Rassisten aus den Südstaaten Wahrheiten aus, die geradezu ‘unaussprechlich’ wären, wenn ein Tagesschau-Sprecher sie sagte. Newman bewegt sich oft und gern an der Grenze zu dem ,das wird man ja wohl noch sagen dürfen', das hierzulande viele neuerdings einfordern. In einem Klima, wo in Theatern diskutiert wird, ob Heteros Schwule spielen dürfen, geradezu kulturrevolutionär.
Was macht die Zusammenarbeit in diesem Trio so besonders?
Maurenbrecher: Wir sind drei ganz verschiedene Typen von Spielern und können uns musikalisch nicht nur ergänzen, sondern richtig herausfordern. Gerade Randy Newmans Musik, die den Blues in sich hat genau wie Musical-Elemente und Poppiges, fordert uns alle drei zum kontrollierten Improvisieren auf. Wo er auf seinen Platten andeutet, treiben wir das Hymnische, das Rhythmische, das Verrückte gern sehr weit nach vorn.
Gibt es einen Auftritt, der Ihnen in vierzig Jahren Bühne besonders in Erinnerung geblieben ist: positiv oder negativ?
Maurenbrecher: Dazu waren es zu viele. 1982 in der Waldbühne in West-Berlin bei einem Friedensfestival spielte ich zwei Lieder vor 20.000 Menschen, und hatte vorher immer nur vor 20, manchmal 50 Leuten gespielt. Dieses Schwindelgefühl werd' ich wohl nie vergessen.
Nach der ersten Präsidentschaft von Donald Trump hat sich Randy Newman in einem Interview „zur Lage der Nation“ geäußert. Warum sind die progressiven Kräfte in den USA im Augenblick so still?
Maurenbrecher: Das weiß ich nicht. Ich vermute: Angst. Ich verstehe auch die Schwäche der Demokratischen Partei dort nicht. So, wie ich vieles hierzulande nicht verstehe. Dass Vertreter der US-Regierung uns Wahlempfehlungen für die AfD geben, finde ich himmelschreiend. Meine gerade erschienene CD ‘Vielleicht vielleichter’ setzt sich mit diesen Trends auseinander. Musik kann die Angst schmälern, vielleicht wird in den USA zu wenig Musik gespielt.
Interview: Rüdiger Otto-von Brocken
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